Neuigkeiten aus Nepal - April 2017
Nachdem unsere Schüler beim Sponsored Walk im Herbst 2016 das Projekt Brepal erneut kräftig unterstützt hatten, informierte uns Dr. Klaus Eckert über die jüngsten Entwicklungen. Wir möchten Ihnen diese Informationen nicht vorenthalten.
Liebe Freunde und Unterstützer von Brepal,
heute fällt es mir schwer einen Anfang zu finden, denn es ist sehr viel passiert, und es mussten wichtige Entscheidungen für die Zukunft unserer Arbeit in Nepal getroffen werden. Deshalb baue ich diesen Rundbrief einfach chronologisch auf.
Im Oktober 2016 besuchten Krishna und ich das vom Erdbeben zerstörte Kloster in Bigu. Die Nonnen und der verantwortliche Lama baten uns damals für die Menschen in der Region um medizinische Hilfe, die wir der Not gehorchend, auch spontan zusagten. Mehr als 95% der Gebäude im Dorf waren ja 2015 zerstört worden.
Vom 26.02. - 11.03.2017 führten wir dann das erste Healthcamp im Kloster Bigu durch. Das Team bestand aus 12 Personen: zwei Zahnärztinnen vom Verein Desoca e.V., Wiebke Behrens und Anna Hillebrecht, sowie Felix Mittag, der eigentlich Notfallmediziner ist und uns bei der medizinischen Sprechstunde half. Zwei nepalesische Zahnarzthelferinnen komplettierten die Abteilung Zahnmedizin.
Viola Hellmann kam als Gynäkologin zum Einsatz, Marianne Niehaus als Allgemeinmedizinerin, Volker Hellmann nahm sich als Ingenieur der nepalesischen technischen Unzulänglichkeiten an. Renu Lama und Krishna fungierten als Übersetzer und Organisatoren, Kumar und Manu sorgten für unser leibliches Wohlergehen. Wir wurden in dem neu erstellten Gästehaus des Klosters untergebracht. Das umfangreiche Gepäck für die fast 14 Tage konnte mit dem Auto über die schlechte Straße ins Kloster transportiert werden, das Team musste aber laufen und dabei etwa 1.200 Höhenmeter bewältigen. Sieben Stunden dauerte der Trip, dafür belohnte uns aber eine grandiose Landschaft mit blühenden Rhododendrenbäumen.
Wiebke und Anna arbeiteten mit ihrem Team in einem provisorischen Sperrholzverschlag, die Humanmediziner in einem schnell umgebauten Schulraum.
Die Menschen von Bigu und Umgebung wurden per Radio über unsere Anwesenheit informiert, ein örtlicher Club von Jugendlichen wollte an den staatlichen Gesundheitszentren Informationen verteilen, was aber leider nicht geschah. Außerdem bereiteten sich die Menschen im Dorf auf das tibetische Neujahrsfest vor. So war der Anfang etwas schleppend, letztendlich sahen wir aber mehr als 700 Menschen mit unterschiedlichen Beschwerden, jedoch wenig besorgniserregenden Krankheiten. Das war schon etwas verwunderlich, vor allem im Vergleich zu unseren Erfahrungen in Banjhakateri.
Anna und Wiebke untersuchten 164 Patienten, davon waren 125 Patienten Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 37 Jahre. 76 Patienten stellten sich mit akuten Schmerzen vor, weitere 12 Patienten berichteten von gelegentlichen dentalen Beschwerden. Es wurden 67 konservierende Behandlungen und 139 chirurgische zahnmedizinische Therapien durchgeführt. Etwa 300 Schulkinder aus den umliegenden Schulen kamen zur Untersuchung und bekamen eine Zahnbürste nach einer entsprechenden Aufklärung zur Mundhygiene. Die kleinen Nonnen wurden auch nicht vergessen.
Nach den anfänglichen Startschwierigkeiten stieg die Patientenzahl kontinuierlich an. Mit unseren einfachen medizinischen Möglichkeiten war Hilfe möglich, wir gaben auch Kostenübernahmeerklärungen für notwendige Operationen in entsprechenden Krankenhäusern. Die Stimmung im Team war super, die Kälte konnte unsere Stimmung wenig trüben. Trotz der Arbeit hatten wir an einem Samstag Zeit für eine größere Wanderung.
Die freie Zeit nutzten wir natürlich auch zu Überlegungen, wie es mit Bigu weitergehen sollte. Gerade aus diesem Grunde war das Camp wichtig. Uns fiel auf, dass viele Bewohner nach dem Erdbeben noch nicht wieder zurückgekommen sind und niemand so recht weiß, ob das noch passieren wird. Das Kloster liegt am höchsten Punkt der Region und ist für Kranke daher beschwerlich zu erreichen. Für uns stellte sich die Frage, ob der Standort wirklich der richtige ist. Wir fanden heraus, dass die Menschen aus der Region eher 4 Stunden bergab nach Singati gehen und dann den Bus nach Charikot nehmen. Das scheint für sie einfacher zu sein, als den Berg hinaufzulaufen. Wir dachten daran, dieses Problem mit dem Kauf eines Ambulanzautos zu lösen, die Straße zum Kloster ist aber schlecht und während der Monsunzeit mitunter nicht zu passieren, dies wäre also auch keine dauerhafte Lösung. Da ich einen Antrag zur finanziellen Förderung beim BMZ gestellt hatte, kamen wir immer mehr unter Zeitdruck, denn bei einem BMZ Erstantrag muss das Projekt im gleichen Jahr, in dem es genehmigt wird, abgeschlossen werden. Nach reiflicher Überlegung und nach einigen Gesprächen mit Lama Lobsang, habe ich dann den Antrag offiziell zurückgezogen. Dieser Entschluss fiel mir nicht leicht, denn wir hatten schon eine Menge Arbeit investiert. Der Antrag beim BMZ war fast fertig, die Zeichnungen für die Gebäude, einschließlich der Kostenkalkulation waren erstellt, und ich hatte das neue Projekt schon auf unserer Internetseite angekündigt. Jetzt, mit etwas mehr Abstand, halte ich die Entscheidung, das Projekt zu stoppen, weiterhin für richtig und bitte Euch um Verständnis. Es tat mir gut, alle Vor- und Nachteile mit den Kolleginnen in Bigu, Krishna, Renu und dem Vorstand von Brepal zu diskutieren. Somit konnten wir unsere Zeit in Bigu erfolgreich beenden.
Krishna, Renu und mir blieben nur drei Tage in Kathmandu, um die Wäsche zu waschen, im Büro nach dem Rechten zu sehen und den Aufenthalt in Banjhakateri zu organisieren. Am Abreisetag starteten wir um 5 Uhr, da ein Teil der Strecke ab 11 Uhr für 5 Stunden gesperrt wird und wir vor der Sperrung die Straße passieren wollten. Durch das Erdbeben und die Schlammlawinen der letzten Regenzeit sind die Straßenverhältnisse noch chaotischer geworden. Da besteht schon Handlungsbedarf zur Reparatur. Trotz allem kamen wir mit unserem voll beladenen Auto gut nach Tansen und dann nach Tamghas. In Tansen unterzeichneten wir Verträge mit dem Lumbini Medical College für Operationen zu Sonderkonditionen, in Tamghas standen am nächsten Tag Gespräche mit dem Amtsarzt von Gulmi an. Unser Zentrum in BKT bekommt nun die offizielle Anerkennung, die uns zusteht. Der Medical Officer möchte eine enge Zusammenarbeit mit uns und bot Hilfe im Rahmen seiner Möglichkeiten an. Er gab uns einige Medikamente sowie technisches Gerät mit auf den Weg.
Diese Entwicklung hat unter anderem auch mit der Arbeit von Renu Lama zu tun. Renu ist eine Krankenschwester mit Prädikatsexamen und dem Schwerpunkt Community Health. Krishna kennt Renu schon seit 12 Jahren, sie war 3 Jahre im Vorstand von Nepal Health aktiv. Sie wird für die nächsten 2 Jahre als Leiterin von BKT tätig sein, danach möchte sie in den USA studieren und promovieren, um dann als gut ausgebildete Frau in Nepal Gutes zu bewirken. Ein unglaublicher Gewinn für uns. Bishnu kann sich jetzt ausschließlich auf seine medizinische Arbeit konzentrieren. Mehr hat er leider nie getan, denn alle weiteren Aufgaben als Leiter eines Zentrums hat er in der Vergangenheit vernachlässigt, unter anderem den Kontakt zu den Behörden in Tamghas. Ab dem 1.1.2017 wurde das nepalesische Reporting System bei uns eingeführt, die Daten werden jetzt zeitgerecht an den Staat weitergeleitet. Im Gegenzug erhalten wir Einladungen für Fortbildungen und weitere wichtige staatliche Informationen.
Das Haus sieht jetzt sehr sauber aus und entspricht den hygienischen Anforderungen eines medizinischen Zentrums.
Viola hat den gynäkologischen Bereich räumlich umgestaltet, da wir mit ihrer Hilfe und der von Christine Wiese den vaginalen Ultraschall in der Schwangerenvorsorge eingeführt haben. Durch die Qualifikation unserer Hebamme und die vielfältigen weiteren diagnostischen Möglichkeiten in unserem Zentrum wurden wir offiziell zum "Geburtszentrum" ernannt. Jetzt bekommen die Schwangeren Geld vom Staat für jede Vorsorgeuntersuchung und der Entbindung in unserem Haus. Damit möchte Nepal die Mütter- und Kindersterblichkeit senken. Wenn man den Statistiken glauben kann, ist Nepal auf dem besten Weg und wir helfen kräftig mit. Von einem Anstieg der Schwangerenvorsorge in unserem Zentrum ist auszugehen. Frauen, die zuhause entbinden möchten, können auch das mit unserer Hilfe tun. Laxmi, unsere gute und langjährige Hebamme, verlässt uns leider aus persönlichen Gründen, wir haben aber einen adäquaten Ersatz gefunden.
Wir werden in Nepal immer bekannter. So haben uns zum Beispiel Kardiologen aus Kathmandu angesprochen und am 20.03.2017 für einen Tag ein Screening in unserem Haus durchgeführt. Zwei Kardiologen und fünf junge Ärzte sahen in sieben Stunden 600 Patienten. Drei Schulen aus der näheren Umgebung schickten allein 400 Schüler. Dabei fanden die Ärzte 6 Vorhofseptum- und 3 Kammerdefekte, 7 rheumatische Herzfehler, 6 ältere Patienten mit einer KHK, 5 Hypertoniker und 3 bislang unauffällige Diabetiker. Mit dem neuen Gesundheitsminister von Nepal scheint sich einiges zum Positiven zu entwickeln. So bekommen Kinder bis zum15. Lebensjahr und Erwachsene über 75 Jahre unter anderem kostenlose herzchirurgische Eingriffe.
Am 13.04.2017 werden wir Augenärzte der Eyeclinic Bhairawa zu Gast haben. Am ersten Tag sollen Augenuntersuchungen durchgeführt werden, am darauffolgenden Tag können dann mindestens 20 Patienten operieren werden. Der Aufenthalt des Teams kann je nach Patientenaufkommen auch verlängert werden. Die Operationen sind für unsere Patienten kostenlos, wir zahlen lediglich für das Essen des Teams.
13 Frauen mit einem Uterusprolaps werden am 27.04.2017 eine kostenlose Operation im SKM Hospital in Sankhu, nahe Kathmandu, bekommen. Unsere Verbindung zum SKM ist durch eine langjährige Freundschaft mit Christa Drigalla, der Initiatorin der Ofenmacher und ehemalige Leiterin des SKM Hospitals, zustande gekommen. In Nepal braucht man ein gutes Netzwerk. Brepal zahlt für den Transport der Frauen und deren Begleitung sowie für die Unterkunft und die Verpflegung. Diese Kosten werden aus einem Fond der Soroptimistinnen aus Vaduz getragen. 20 weitere Frauen stehen noch auf unserer Liste. Sie wollen sich zu einem späteren Zeitpunkt operieren lassen.
Für den Herbst 2017 ist ein gynäkologisches Camp für ein Screening auf Mamma- und Zervixkarzinom in Planung. Wir wurden dafür von Gynäkologen aus Kathmandu angesprochen.
Neben den medizinischen Aktivitäten geht die Dorfentwicklung unverändert weiter. So wurde jetzt, nach vielen Anläufen, eine Kartoffelsorte gefunden, die sehr ertragreich und wirklich schmackhaft ist. Das kann ich als alter Westfale, der mit der Knolle groß geworden ist, bestätigen. Die Bauern können als Kooperative gemeinsam die Ernte auf den lokalen Märkten verkaufen. Durch die neuen Gewächshäuser ist die Tomaten- und Gurkenernte saisonunabhängig geworden und bringt ein gutes Einkommen, zumindest bei den Bauern, die sich die Mühe machen und Gangas Ratschläge befolgen.
Besonders freut es mich, dass die Kaffeeproduktion Fahrt aufnimmt. 25 Farmer haben jetzt eine Kooperative gegründet. Sie wollen Land pachten und gemeinsam eine großflächige Plantage anlegen. Bislang hatte jeder seine Sträucher in seinen normalen Landbau integriert. Nach einem Besuch in Baletaxa, bei einer Kooperative, die seit 15 Jahren Kaffee anbaut, kamen unsere Leute mit einem enormen Motivationsschub zurück. Brepal, besonders Michael Kruckenberg als Ideengeber und Sponsor mittels Crowdfunding, hat den Bauern immer Mut gemacht und an den Erfolg geglaubt. Ich habe die ersten Rohbohnen mit nach Bremen genommen. In der Kaffeestadt Bremen soll die Qualität nun geprüft werden.
Die Unterstützung der örtlichen Schulen wird mithilfe der Marga und Walter Boll-Stiftung fortgeführt. Die Gehälter der zwei Englischlehrer und der Kauf von Lernmaterial wird über ihre Spende finanziert. Ich habe mich immer über die dunklen Klassenräume geärgert. Jetzt haben wir mit dem Austausch von Wellblech gegen transparente Plastikschalen Licht in die Räume gebracht, denn nur wenige Schulen haben Strom zur Beleuchtung. Die Lehrer und Kinder sind begeistert. Ich bin mir sicher, dass andere Dörfer diese Idee übernehmen.
Bei meinem Besuch erfolgte die Bauabnahme des Personalwohnheims. Nachdem der Unternehmer die letzten Mängel beseitigt hat, haben wir ihm das noch ausstehende Geld gezahlt. Im Haupthaus müssen die Fenster gestrichen werden und weitere Farbarbeiten an den Wänden erfolgen. Deutsche Augen sehen so etwas, für unsere Nepalesen wäre alles auch ohne Verbesserung in Ordnung. Renu hat eine lange Mängelliste geschrieben und sorgt dafür, dass diese abgearbeitet wird. Ganga hatte in letzter Zeit die Außenanlagen etwas stiefmütterlich behandelt. Meine Kritik gab ihm dann wohl zu denken, und jetzt sollen unsere unvollendeten Pläne mit Volldampf umgesetzt werden. Nach der Regenzeit hat Ganga einen Garten Eden versprochen... Wie ihr seht, Banjhakateri ist auf einem guten Weg und beeindruckte bislang alle Besucher, vor allem auch unsere nepalesichen. Sie können nicht verstehen, dass so etwas in ihrem Land möglich ist. Ich hoffe, dass sie sich viel abschauen und unsere Hilfsangebote annehmen.
Moti Bhusal, der Chef unseres Vorstandes in BKT berichtete mir kurz vor meiner Abreise, dass es vom Staat Geld gäbe, um endlich den Weg zu unserem Zentrum sicher zu machen. Es kämen jetzt so viele Menschen, auch per Auto, zu uns, dass er sich für die Verbesserung der Zuwegung stark gemacht habe. Wir haben nach den 6 Jahren in BKT nun einen deutlichen Einfluss auf das Geschehen im Dorf und der weiteren Umgebung. Die Menschen haben endlich begriffen, welche Vorteile sie in einer Zusammenarbeit mit uns haben.
Diesen Erfolg haben die Menschen in BKT dem Zusammenwirken aller Beteiligten zu verdanken, insbesondere all unseren Spendern, die finanziell helfen und den Menschen, die aktiv in Nepal tätig sind, sowie dem hochmotivierten Team vor Ort und in Kathmandu. Seit 2011 sind bereits 62 Ärztinnen und Ärzte, Hebammen, Physiotherapeutinnen, Ingenieure und Techniker aus Deutschland vor Ort gewesen, manche schon zum dritten Mal. Für die Ausbildung unseres Teams und zur Qualitätssicherung brauchen wir weiterhin Eure Hilfe in Nepal. Unter https://www.brepal.de/ihre-hilfe/informationen-zur-arbeit-in-b/ gibt es entsprechende Informationen zur Mitarbeit. Es hat sich bewährt, wenn auch Partner, die keine Mediziner sind, mitkommen. Jeder hat etwas zu bieten und bekommt eine Menge zurück. Also, überlegt und meldet Euch. Eine langfristige Planung macht für alle Beteiligten Sinn.
Mit Eurer Hilfe und unseren Erfahrungen in BKT trauen wir uns zu, weiterhin an ein zweites Zentrum zu denken. Es bestehen große Chancen durch das BMZ eine Förderung für solch ein Projekt zu bekommen. Brepal e.V. wurde vom BMZ als förderungswürdig anerkannt.
Wir stehen bereits in vorbereitenden Verhandlungen zu einem zweiten Projekt. Krishna und ich hatten Kontakt mit Anil, einem Nepalesen, der im Auftrag von Cap Anamur nach dem Erdbeben bereits 3 Schulen in Singupalshok gebaut hat. Anil hat von 2007-2011 in Münster BWL studiert. Er spricht perfekt Deutsch und hat uns gut gefallen. In der Erdbebenregion fehlt es nach seiner Aussage immer noch an medizinischer Versorgung. Krishna wird mit Anil im April die Region besuchen und Erkundigungen einziehen. Darüber werde ich dann berichten.
In all dem Trubel wurde während des Kardiocamps dieses süße Mädchen bei uns geboren.
Ich hoffe, dass es gesund in Banjhakaetri aufwachsen, eine gute Schule vorfinden wird und ein zufriedenes Leben führen darf.
Dhanebad
Klaus Eckert