Weltklasse-Konzert am Altenforst: neues Konzept bietet ungewöhnliches Hör- und Lernerlebnis
4. November. Das 87. Altenforstkonzert des Jugendsinfonieorchesters der Rheinischen Musikschule Köln unter der Leitung von Egon-Josef Palmen und Alvaro Palmen war ein musikalischer Höhepunkt der Extraklasse. Nach einem erfolgreichen Gastspiel in China begeisterte das Flaggschiff des klassischen Ensembles der Musikschule auch beim Heimspiel die gebannten Konzertbesucher.
Denn nicht zum ersten Mal gastierte das junge Orchester am Altenforst. Ein neues Konzept machte aus einem exklusiven Hörerlebnis einen Dialog zwischen Dirigenten, Musikern und den teil sehr jungen Zuhörern. Schulleiter Reinhard Schulte kündigte an, dass die Fünft- und Sechstklässler im Verlauf des Abends Fragen an den Dirigenten und die Musiker stellen dürften. Der gemeinsame Konzertbesuch sei im Musikunterricht vorbereitet worden.
Alvaro Palmen, selbst auch Geiger im Gürzenich-Orchester, übernahm die musikalische Leitung und Moderation des Abends. Sogleich wandte er sich besonders an die jüngsten Konzertbesucher und lud sie ein Fragen zu stellen. Im freundlichen Plauderton erzählte Palmen, wie das unvergessliche Gastspiel in Peking zustande gekommen sei. Seine jungen Talente hätten alle die Gelegenheit genutzt sich in China vorzustellen. Für die Gastgeber war Manuel Lipstein ein echter Superstar. Nicht nur in China werde er gefeiert, denn "Manuel Lipstein, vielfach ausgezeichnet, ist einer der besten Cellisten der Welt." Einige weitere junge Musiker seines Orchesters hätten an ihrem Instrument schon 1. Bundespreise gewonnen.
Cellist und Komponist Manuel Lipstein (*2001), vielfacher nationaler und internationaler Preisträger, mit dem JSO am Altenforst
Schon die Overtüre zu Richard Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg war ein imposantes Hörerlebnis. Unter der Leitung des früheren Kapellmeisters der Kölner Oper Egon-Josef Palmen liess das Orchester die einzelnen Leitmotive in vielen Farben leuchten. Von eher zarten Klängen wie bei Liebesmotiv und aufblühender Romantik bis hin zum klangvollen Meistersänger-Zunftmotiv war jede Nuance trotz Überakustik klar hörbar. Beim abschließenden Meistersinger-Thema im Fortissimo brachte die immens große Klangfülle die Halle der Schule zum Vibrieren.
Im Anschluss stellte Cellist Manuel Lipstein, dessen Bruder Rafael am Altenforst schon am Klavier brilliert hatte, zunächst den Komponisten Saint-Saens vor. "Camille Saint-Saens galt als Wunderkind, hatte mit 37 Jahren schon gigantische Erfolge und brach mit musikalischen Traditionen," erklärte Manuel in ruhigem Ton. So habe der Komponist das Cellokonzert Nr. 1 in a-Moll "in einem durch komponiert," d.h. es gebe keine Pausen zwischen den Sätzen und der Solist spiele ohne jedes Vorspiel des Orchesters.
Das Cellokonzert unter dem Dirigat von Alvaro Palmen lebte vom Wechselspiel des Solisten mit einem homogen klingenden Orchester. Das Spiel des erst 15 Jahre alten Solisten beeindruckte durch seinen reifen Klang und der unglaublichen Bandbreite im musikalischen Ausdruck. Es schien, als wären sein Körper und das Cello eins. Geradezu entrückt, in einer musikalischen Trance, spielte Manuel das Stück. In seinen kurzen Spielpausen schwang sein Körper auf den Wogen der Musik des Orchesters mit. Die Musiker wirkten wie ein einziger lebender Organismus, ähnlich eines Korallenriffs mit unendlich vielen Farben, Nuancen und synchron wiegenden Bewegungen.
"Braucht man eigentlich einen Dirigenten?" - Schülerfragen an Alvaro Palmen
Nach der Pause bestürmten die begeisterten Schüler den Dirigenten mit Fragen: Wie lange muss man ein Stück einüben, bis es so synchron gespielt werden kann? (1 Jahr) Braucht man eigentlich einen Dirigenten? (unbedingt, er helfe, inspiriere, könne aber auch stören) Wie viele Geiger sind in diesem Orchester? (etwa 30) Was ist das wichtigste Instrument? (der Gleichkalng sei das größte Instrument) Wann wussten Sie, dass Sie Dirigent werden wollen? (mit 4 oder 5 Jahren)
Im Anschluss stellte Alvaro Palmen den Konzertbesuchern Robert Schumanns 4. Sinfonie in d-Moll vor, indem er das Orchester zunächst um kurze musikalische Zitate bat. Die Sinfonie sei ein einziger Irrgarten. Indem das Orchester einzelne Akkorde und Themen anspielte, die als Orientierung dienten, konnten die Zuhörer auf "musikalische Entdeckungsreise" gehen und sich im anspruchsvollen Stück besser zurecht finden. "Das Violinensolo ist selten und eines der schönsten Stellen der Sinfonie", ergänzte Palmen seine Einführung.
"16 vor Zeppelin!"
Gespannt lauschen die Konzertbesucher den für die meisten Konzertbesucher kryptischen Angaben des Dirigenten ("16 vor Zeppelin") und den Klängen des Orchesters. Bildhaft schildert Palmen die Sinfonie als Ritt, "stellt euch die Pferdchen vor, durstig, auf dem Weg zum Wasser!"
Während des Spiel fiel auf, dass Manuel Lipstein, der an seinen Platz im Orchester zurück gekehrt war, mit der Cellistin neben sich zu kommunizieren schien. In beiden Gesichtern spiegeln sich die wechselnden Emotionen des Musikstücks, sie zeigten zugleich Spielfreude und Konzentration. Es schien, als würden sich die beiden Musiker während des Spiels gegenseitig anfeuern oder bremsen.
Zweieinhalb Stunden lang hörten die Konzertbesucher gespannt zu. Eine Vertonung von E.T.A. Hoffmanns Erzählungen als Zugabe rundete den musikalischen Abend ab.
Eine begeisterte Schülerin überreicht Egon-Josef Palmen einen Blumenstrauß
Wir danken den Dirigenten, Solisten und allen Musikern des Orchesters für den unvergleichlichen Abend. Diese Veranstaltung in neuer Form war ein wichtiger Beitrag zur musikalischen Bildung unserer Schülerinnen und Schüler.
Text: Cornelia Scheppeit und Gisela Bleiweiß